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Studie zu Mali und Niger

Einsatz für den Frieden?

Junge auf Fahrrad vor einem großen Lehmgebäude
Foto: UN Photo/Marco Dormino via flickr, CC BY-NC-ND 2.0.

Welche Lehren können wir aus dem deutschen Engagement in Mali und Niger ziehen? Dieser Fragestellung widmet sich die Studie „Friedenspolitische Kohärenz im deutschen Regierungshandeln: Lehren aus Mali und Niger“, die von Antonia Witt und Simone Schnabel unter Mitarbeit von Baba Dakono und Abdoul Karim Saidou verfasst wurde. Die Studie entstand im Auftrag des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (siehe Infobox). In über 100 leitfadenbasierten Interviews sprachen die Forscher*innen mit Ressortvertreter*innen, Durchführungsorganisationen sowie zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in Deutschland, Mali und Niger.

Mit dem Scheitern des Einsatzes in Afghanistan wurde die Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr neu entfacht. Welche kurz- und langfristigen Ziele sollte das zivile und militärische Engagement Deutschlands in Konfliktregionen verfolgen? Lassen diese sich überhaupt erreichen? Und welche Lehren sollten aus dem Scheitern in Afghanistan gezogen werden? Auch das deutsche Engagement im Sahel stand vor diesem Hintergrund in der Diskussion.

Über die Autorinnen

Die Sahelzone ist einer der weltweiten Brennpunkte der Gewalt. Verschiedene islamistische Gruppierungen sind dort aktiv, die die Abwesenheit staatlicher Strukturen vor allem in den peripheren Grenzregionen ausnutzen und lokale Konfliktdynamiken befeuern. Große Teile Malis gelten als Epizentrum der Gewalt im Sahel, zusätzlich zu einer seit 2012 andauernden politischen Krise, die das Misstrauen gegenüber dem Staat und Eliten im Süden des Landes weiter vertieft hat. Obwohl Niger lange Zeit als Stabilitätsanker der Region galt, hat auch dort die Gewalt insbesondere in Grenzregionen zugenommen.

Deutschland ist zum Zeitpunkt der Studie in beiden Ländern in vielfältiger Weise friedenspolitisch engagiert. Neben der Ende 2023 auslaufenden Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA und bis 2022 an der EU-Trainingsmission EUTM Mali geht es beispielsweise um humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Maßnahmen zur Konfliktprävention. Zusätzlich zu den sogenannten „Kernressorts“ Auswärtiges Amt (AA), Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) ist auch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) in beiden Ländern mit Personal vertreten. Vier weitere Ministerien investieren dort in verschiedene Projekte.

Die 2017 verabschiedeten Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (siehe Infobox) sollen als strategischer Kompass für Deutschlands Engagement in Konfliktregionen wie dem Sahel dienen. Doch inwieweit orientiert sich das deutsche Regierungshandeln in Mali und Niger tatsächlich an diesem Leitbild? Gelingt es mit all den unterschiedlichen Maßnahmen, nachhaltigen Frieden zu fördern?

Infobox

Beirat Zivile Krisenprävention und Friendensförderung

Der Beirat bündelt zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Expertise zur Krisenprävention und Friedensförderung und berät die Arbeit der Bundesregierung. Die zwanzig Mitglieder des Beirats kommen aus den Bereichen der internationalen Zusammenarbeit, Wissenschaft, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen und sind auf vier Jahre berufen. Der Beirat begleitet die Umsetzung der 2017 von der Bundesregierung beschlossenen Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“.

Die Leitlinien sollen als strategischer Kompass für Deutschlands Engagement in Krisen- und Konfliktkontexten dienen. Sie definieren einerseits Strukturen und Prozesse für ein ressortgemeinsames Handeln der Bundesregierung. Andererseits legen sie inhaltliche Handlungsprinzipien fest, wie den Schutz von Menschenrechten, eine langfristige Orientierung und den Vorrang der Prävention.

Die Autorinnen der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass das friedenspolitische Leitbild der Bundesregierung nur unzureichend umgesetzt wird. Ein zentraler Punkt ist die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ressorts: Zwar wird eine Breite an Instrumenten zur Koordination genutzt, z.B. Gremien wie der Arbeitsstab Sahel im AA und die „Nordrunde“ in Mali. Diese Formate erreichen aber nur einen Teil der insgesamt acht Ministerien, die in den beiden Ländern aktiv sind.

Insbesondere fehlt es an einer politischen Gesamtstrategie für beide Länder, welche die in den Leitlinien vorgeschriebenen inhaltlichen Ziele für den spezifischen Kontext operationalisiert. Durch diese Leerstelle entstehen gerade im Kontext des multilateralen Engagements, wie in den Missionen der UN und EU, strategische Abhängigkeiten von anderen Akteuren wie Frankreich, die eigene Interessen verfolgen. Zielsetzungen und Wirkungslogiken von multilateralen und bilateralen Projekten stehen oft im Widerspruch zueinander – eine Inkohärenz, die auch von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen vor Ort wahrgenommen wird.

Die Studie identifiziert eine Reihe von Faktoren, die für das Ziel der Förderung nachhaltigen Friedens förderlich bzw. hinderlich sind. Darauf aufbauend sprechen die Autorinnen ganz konkrete Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung aus: Dazu zählen neben ressortgemeinsamen Länderstrategien auch die personelle Aufstockung und stärkere strategische Einbindung der Botschaften. Für Mali empfehlen sie, das deutsche Engagement auf die Stärkung nationaler und lokaler Strukturen zur Konfliktregelung auszurichten. Dazu zählt insbesondere die Förderung von Rechtstaatlichkeit und Bekämpfung von Straflosigkeit. Für Niger empfehlen die Autorinnen einen stärkeren Austausch mit der Zivilgesellschaft vor Ort.

Die aktuellen Entwicklungen im Sahel zeigen, dass es in Zukunft umso wichtiger sein wird, Lehren aus den Erfahrungen in Mali und Niger zu ziehen und das zukünftige Engagement strategischer daran auszurichten, wie und mit wem der größtmögliche Nutzen für die Förderung nachhaltigen Friedens in der Region erzielt werden kann.

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